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Grundrechte für Flüchtlinge
von Dietrich Gerstner / Dezember 2004 "Der unerlaubte Aufenthalt in der BRD ist längst Normalität. Es ist also höchste Zeit, illegale Migration als Tatsache zu akzeptieren und mit ihr konstruktiv umzugehen." Darauf wies Dr. Jörg Alt, Jesuitenpater und namhafter Erforscher der Lebensverhältnisse illegalisierter Flüchtlinge in Deutschland am 30.9. bei einer Veranstaltung an der Universität Hamburg zum Thema "Menschen in der Illegalität in Hamburg und München" hin. Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, Fanny Dethloff schätzt die Zahl der Flüchtlinge ohne Papiere in Hamburg auf 100.000 bis 150.000 - Männer, Frauen und zunehmend auch Mädchen und Jungen jeden Alters. Sie heißen Wladimir, Michèle, Naciye oder Issa, arbeiten in Restaurants und auf Baustellen, sie hüten unsere Kinder und renovieren unsere Wohnungen. Im öffentlichen Leben fallen sie normalerweise nicht auf (niemals ohne Fahrkarte in der U-Bahn fahren!) und werden doch in der politischen Diskussion wie Kriminelle behandelt. Sie werden als "Illegale" bezeichnet. Aber Elie Wiesels Mahnung gilt nach wie vor: "Kein Mensch ist illegal!" Menschen werden höchstens illegal gemacht.
Ursachen der "Illegalisierung" Wie Flüchtlinge durch die Behörden geradezu in die Illegalität abgedrängt werden, schilderte Conny Gunßer vom Flüchtlingsrat Hamburg:
Um den Druck auf Familien zu erhöhen, werden in Hamburg einzelne Familienmitglieder getrennt abgeschoben (z.B. der reisefähige Vater oder volljährige Kinder). Dahinter steht die zynische Logik, dass unter solchen Umständen die krankgeschriebene Mutter mit ihren minderjährigen Kindern schon von alleine gehen werde. Grundrechte vorenthalten Leben in der Illegalität ist beschwerlich. Menschen ohne Papiere müssen nicht nur ständig Polizeikontrollen fürchten. Sie haben auch wenig Möglichkeit, sich angemessen um ihre Gesundheit zu kümmern, wodurch sie an vermeidbaren Krankheiten leiden. In ihren irregulären Beschäftigungsverhältnissen sind sie Ausbeutung ausgeliefert, arbeiten in der Regel zu Hungerlöhnen und nicht selten wird ihnen von ihren ArbeitgeberInnen ihr Lohn für geleistete Arbeit willkürlich vorenthalten. Für ihre Wohnung zahlen sie häufig Wuchermieten, gegen die sie sich bei keinem Mieterverein beschweren können. Und ihre Kinder gehen meist nicht zur Schule und leiden an Perspektivlosigkeit. Das Tabuisieren dieser Tatsachen in der Öffentlichkeit hält die "Illegalen" schutz- und rechtlos. Offensichtlich besteht bisher kein großes öffentliches und politisches Interesse, an dieser Situation etwas zu ändern. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass in ca. 4,3 der 45 Millionen bundesdeutschen Haushalte "Illegale" beschäftigt sind! Und selbst auf den "Bundesbaustellen" in Berlin soll es regelmäßig und in großem Umfang zu illegalen Beschäftigungsverhältnissen gekommen sein - um die Kosten zu senken ... "Illegale" werden gebraucht! Aber: "'Illegal' zu sein bedeutet nicht, universelle Grundrechte abgeben zu müssen. Auch in Deutschland haben ‚Illegale' das Recht auf Schulbesuch, medizinische Versorgung, sowie Lohn für geleistete Arbeit. Theoretisch. In der Praxis können sie dieses Recht aber nicht ohne Angst in Anspruch nehmen," so nochmals Dr. Jörg Alt vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst.
Es geht auch anders Mittlerweile wollen einige Kommunen vor diesem Problem nicht mehr die Augen verschließen. München ist bisher die erste Stadt in Deutschland, die anerkannt hat, dass auch die "illegalen" MigrantInnen Teil der Stadtbevölkerung sind. Und das bedeutet, dass diese bayrische Stadt Initiativen ergreifen will, damit auch solche Menschen ihre sozialen Rechte wahrnehmen können. Der Gesamtstadtrat hat unter anderem beschlossen, dass Schulen auch papierlose MigrantInnenkinder einschulen dürfen und medizinisches Personal zunächst zum Helfen da ist. Damit sorgen die städtischen Behörden für ein Stück Rechtssicherheit, denn wie soll sich z.B. eine Ärztin verhalten, die einen "Illegalen" in ihrer Praxis sitzen hat: Hilft sie ihm, verstößt sie gegen die im Ausländergesetz (und auch im neuen Zuwanderungsrecht!) vorgeschriebene Meldepflicht und macht sich strafbar. Behandelt sie ihn nicht, verstößt sie gegen ihren hypokratischen Eid. Damit sind lange nicht alle Probleme von MigrantInnen ohne Papiere gelöst, aber es ist ein Anfang. München geht mit gutem Beispiel voran, andere Städte wie Freiburg, Stuttgart, Berlin und Frankfurt signalisieren, dass sie sich dieser Frage auch stellen wollen. Von Hamburg war bisher nichts Vergleichbares zu hören!
Gastfreundschaft statt Fremdenfeindlichkeit Leider verspricht das neue Zuwanderungsgesetz auch keine Besserung. Im Gegenteil. Die Hoffnungen vieler Flüchtlinge richten sich zwar auf die Zeit nach seinem Inkrafttreten am 1.1.2005 - auch bei uns im Haus ist das immer wieder Thema. Aber ihre Lage wird sich eher verschlimmern durch die verstärkte Lagerunterbringung, die zukünftig mögliche Aberkennung des Asylstatus auch Jahre nach der Anerkennung als politisch VerfolgteR und durch das völlige Fehlen einer "Altfallregelung" für langjährig "geduldete" oder anderweitig hier lebende Flüchtlinge - um nur einige Verschärfungen zu nennen! Über 20 Jahre nach dem ersten Kirchenasyl in Berlin sind darum Kirchenasyl, Gastfreundschaft statt Fremdenfeindlichkeit und andere Formen der Flüchtlingssolidarität nötiger denn je. "Schutz für Menschen ohne Papiere ist Menschenrechtsschutz" (Fanny Dethloff), und nicht weniger! Das geht uns alle an, einerseits ethisch-moralisch, andererseits zeigt die Erfahrung, dass, was an Randgruppen erstmals praktiziert wird - z.B. die Absenkung der Sozialhilfe für Flüchtlinge im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes -später auch gesamtgesellschaftlich relevant umgesetzt wird (vgl. die neuen Hartz-IV-Gesetze!). Auf die Frage "Was würde Jesus heute machen mit Menschen ohne Papiere?" antworte ich: Jesus heißt heute Issa aus Palästina oder Wladimir aus Weißrussland, und seine Schwester Michèle kommt aus Togo oder heißt Naciye und ist Kurdin aus der Türkei. Jesus selbst ist ein "Illegaler", ein "Papierloser", ein Mensch ohne Aufenthaltserlaubnis. Es ist Jesus selbst, den wir im Fremdling willkommen heißen, damals wie heute. |
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