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Stoppt den Krieg!

Unser ehemaliger Mitbewohner Antonio Ablon bei einer winterlichen Mahnwache vor St. Petri mit Dietrich Gerstner

von Dietrich Gerstner / 24. Februar 2024

Beitrag zur Kundgebung „Stoppt das Töten in der Ukraine! Für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen“ am 24.2. in Hamburg-Altona

Hallo liebe Friedensfreund*innen, mein Name ist Dietrich Gerstner, Kriegsdienstverweigerer im Jahre 1983 und auch heute noch Pazifist.
Ich stehe hier für die Friedensmahnwache vor der Hauptkirche St. Petri in der Hamburger Innenstadt, die wir seit der Ökumenischen Dekade im November 2022 jeden 2. und 4. Mittwoch im Monat abhalten.
Als ich gefragt wurde, für die Mahnwache hier zu sprechen, ist es ist mir in der Vorbereitung schwer gefallen, die richtigen Worte zu finden. Denn es ist doch alles bekannt und ich kann hier keine neuen Erkenntnisse mehr vortragen.
Im Grunde bin ich sprachlos bei all den Kriegen und der Gewalt in der Welt. Angesichts der aufziehenden Klimakrise wäre etwas ganz anderes dran, als sich gegenseitig umzubringen und so viele Ressourcen für Tod und Zerstörung auszugeben. So bitte ich um einen Moment der Stille, um dieser Sprachlosigkeit, die sicherlich viele von uns empfinden, Raum zu geben. - Danke -.

Im Grunde geht es eher darum, uns in unserer Haltung der Gewaltfreiheit zu vergewissern. Und darum erzähle ich erst mal was über mich.

Ich lebe seit über 27 Jahren bei Brot & Rosen mit Migrant*innen und Geflüchteten aus aller Welt zusammen. Unter ihnen sind viele Menschen, die vor Kriegen geflohen sind. Aktuell leben z.B. Menschen aus Afghanistan, Irak und Syrien in unserem Haus. Ich weiß aus eigener Erfahrung nicht, was Krieg bedeutet, ich war noch nie in einem aktiven Kriegsgebiet, aber ich erlebe, welche Wunden der Krieg in den Menschen hinterlässt, an Leib und Seele. Und wie lange die Schrecken des Krieges in unseren Mitbewohner*innen nachwirken.

Und ich komme aus Pforzheim, einer kleinen Großstadt zwischen Stuttgart und Karlsruhe in Süddeutschland. Am 23.2.1945, also vor 79 Jahren, wurde diese Stadt im sogenannten Großangriff total zerstört. 19.000 Tote in 20 Minuten. Der Feuersturm, die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten menschlichen Leichen, der Gestank, das ganze Grauen und die Angst. Meine Mutter, die damals 13 Jahre alt war und den Bombenangriff nur überlebte, weil ihre Familie in einem Gartenhaus außerhalb der Innenstadt übernachtete, erzählte mir später davon. In Pforzheim blieb die Erinnerung an den Krieg sehr präsent, bis heute.

Diese Vernichtung liegt in der Logik des totalen Krieges, ja, jeden Krieges. Wir sehen das heute ganz akut im Gazastreifen, in dem schon jetzt mindestens 30.000 Menschen, darunter zu zwei Dritteln Frauen und Kinder, umgebracht wurden, aber auch seit 2011 in Syrien und, weniger im Blickfeld der Weltöffentlichkeit, im Jemen.
Und seit 2014 und v.a. seit dem 24.2.2022 begann die brutale Invasion russischer Truppen in der Ukraine. Auch hier sind schon ca. 10.500 zivile Opfer zu beklagen. Schätzungen besagen, dass außerdem ca. 70.000 ukrainische und 120.000 russische Soldaten getötet wurden in diesem Krieg. Fast alles junge Männer, die von ihren Re-gierungen an die Front geschickt werden. Dazu zahllose verletzte und traumatisierte Menschen Und nach wie vor ist kein Ende in Sicht.

Immer weitere Waffenlieferungen werden daran nichts ändern! So verhärten sich beide Seiten in ihrer zur Schau getragenen Überzeugung, dass sie den Krieg – irgendwie und irgendwann – gewinnen werden.

Aber: Krieg kennt keine Gewinner! Die Kriegslogik tötet jeden Tag Menschen – Jung und Alt, Soldaten wie Zivilist*innen. Krieg zerstört Landschaften, Infrastruktur und gesellschaftliches Zusammenleben für viele Generationen. In Syrien, im Jemen, in Gaza und Israel, in der Ukraine und in Russland – und überall dort, wo Krieg und Gewalt als Mittel der Konfliktlösung propagiert und praktiziert werden.

Ich bin mir einig mit der ukrainischen pazifistischen Bewegung: „Die derzeitige Politik des Krieges bis zum absoluten Sieg und die Missachtung der Kritik von Menschenrechtsaktivist*innen ist inakzeptabel und muss sich ändern. Was wir brauchen, sind ein Waffenstillstand, Friedensgespräche und ernsthafte Bemühungen, die tragischen Fehler zu korrigieren, die auf beiden Seiten des Konflikts gemacht wurden. (…) Es ist ein Fehler, sich auf die Seite einer der kriegführenden Armeen zu stellen. Es ist notwendig, sich auf die Seite des Friedens und der Gerechtigkeit zu schlagen.“

Und ich füge die Worte des ukrainischen Anarchisten und Pazifisten Yuri Sheliazhenko zum 24.2.2023 hinzu: „Frieden bedeutet nicht, den Feind auszurotten. Er bedeutet, aus Feind*innen Freund*innen zu machen. Er bedeutet, sich an eine weltweite menschliche Geschwisterlichkeit und die universellen Menschenrechte zu erinnern.“

Deeskalation muss darum Ziel aller Aktivitäten sein, nicht zuletzt angesichts der atomaren Bedrohung!

Deshalb rufe ich als Bürger DIESES Landes den Kriegsparteien, unseren Regierenden sowie unseren Kirchen zu:
Stoppt die Rüstungsspirale und Waffenlieferungen!
Alle Anstrengungen für diplomatische Lösungen, Waffen-stillstand und Friedensverhandlungen!
Friedenslogik statt Kriegslogik: wir brauchen mehr Friedfertigkeit statt „Kriegstüchtigkeit“!
STOPPT den Krieg – jetzt!

Wir sind solidarisch mit den Menschen in Russland, in Belarus und in der Ukraine, die gewaltfrei für Menschenrechte und Frieden eintreten. Diese Solidarität gilt in besonderer Weise allen Kriegsgegner*innen und Kriegsdienstverweiger*innen in den kriegsbeteiligten Ländern – entgegen der herrschenden Praxis muss ihnen politisches Asyl gewährt werden!

Ich schließe mit Worten von Antje Vollmer, der aufrechten grünen Pazifistin, die kurz vor ihrem Tod vor einem Jahr in der Berliner Zeitung ihren letzten Text als „Vermächtnis einer Pazifistin“ veröffentlichte: „Der Hass und die Bereitschaft zum Krieg und zur Feindbildproduktion ist tief verwurzelt in der Menschheit, gerade in Zeiten großer Krisen und existen-zieller Ängste. Heute aber gilt: Wer die Welt noch retten will, diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planeten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption.
Dem ist nichts hinzuzufügen – wir sehen uns bei der nächsten Mahnwache für den Frieden. Stoppt den Krieg – jetzt! ■

Der bundesweite Aufruf www.stoppt-das-toeten.de wird u.a. von unserem Netzwerk Church and Peace, dem Bund für Soziale Verteidigung, dem Versöhnungsbund, der DFG-VK und weiteren basisbewegten Friedensorganisationen getragen.



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