Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Johannes mit Lotta

von Johannes Varelmann / Februar 2020

Seit November darf ich Brot & Rosen im ganz normalen Alltag durch Mitleben kennen lernen. Ich nutze die Möglichkeit, einen Bundesfreiwilligendienst zu machen, um mich neu zu orientieren. Das steht bei mir beruflich an. Noch mehr geht es für mich aber um die Frage: Wie möchte ich eigentlich in Zukunft leben? Kann ich mir vorstellen, dauerhaft in einer Gemeinschaft zu leben, solidarisch mit Menschen, denen es nicht so gut geht wie mir? Da wird sich hoffentlich in nächster Zeit einiges klären.

Was jetzt schon viel klarer ist: Wie privilegiert ich bis jetzt gelebt habe! Und für wie selbstverständlich ich das für mich angenommen habe! Ich kann frei reisen, wohin ich will, brauche häufig kein Visum, und wenn doch, ist das selten ein Problem. In der Regel bin ich im Reiseland vermutlich sogar willkommen. Ich habe ein gutes Auskommen, musste mir bisher keine Sorgen um Wohnung und Essen machen. Und ich kann recht unbehelligt durch die Stadt gehen.

Am 9. November habe ich einer Mitbewohnerin erzählt, wie ich die DDR erlebt habe, genauer: wie bedrückend ich die Grenzkontrollen im Bus empfand. Sie hat mich irritiert angeguckt und gesagt: „Aber so ist Polizei doch – immer!“ Das hat mich erschreckt, weil sie – nach meinem Eindruck – nicht die Polizei ihres Herkunftslandes gemeint hatte. Ich möchte die Polizei heute nicht mit den Grenztruppen der DDR vergleichen, vermutlich ging es vor allem um das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Das kenne ich so nicht, ich bin in meinem Leben bisher nur äußerst selten kontrolliert worden, und wenn doch, dann ganz kurz und höflich. Ich habe das für mich bisher immer verallgemeinert und gedacht, dass es allen Menschen so geht. Jetzt wird mir klar, dass Menschen mit weniger blasser Haut oder sonst irgendwelchen Merkmalen, die zu häufigeren Polizeikontrollen führen, zu anderen Schlussfolgerungen kommen müssen.

Wie oft passiert das sonst noch? Wie oft „profitiere“ ich davon, dass es so viele Vorverurteilungen, soviel Rassismus und Ungerechtigkeit gibt, die alle für mich nicht gelten? Für wie selbstverständlich nehme ich mein gutes Leben, das so sehr darauf gebaut ist, dass unser Land Gewinne aus den weltweiten Ungerechtigkeiten und der kolonialen Geschichte zieht?

Ich vermute, dass ich in meiner Zeit bei Brot & Rosen mit den verschiedenen Aufgabenfeldern ein paar Antworten finde – und weitere Gründe für meine Fragen. Im Rahmen meines Dienstes arbeite ich einmal pro Woche im antirassistischen Café Exil. Da bekomme ich mit, wie schlecht und wenig kompetent Migrant*innen von Behörden beraten und behandelt werden und wie sehr die Gesetzgebung auf Abschreckung und Unbequemlichkeit für die betroffenen Menschen ausgerichtet ist. Ich erlebe Menschen, die sehr engagiert und motiviert sind, aber mit so vielen Widerständen und einem Haufen Unsinn zu kämpfen haben. Und ich werde dünnhäutiger, wenn Sprache verletzend daherkommt, weil in der Wortwahl nicht mehr zu erkennen ist, dass wir über Menschen reden. Oder wenn Sprache verfälscht: Menschen sollen illegal sein, weil sie sich in ein anderes Land begeben oder keine Papiere haben? Einen Antrag auf Asyl zu stellen – immer noch ein Recht in Deutschland -, soll Missbrauch sein?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es immer weitere Fragen geben oder Fragen offen bleiben werden. Ich wünsche mir jedenfalls, dass ich in Zukunft wacher bin und achtsamer werde und bereit bin, meine Lebenssituation kritisch zu hin-terfragen. Und ich wünsche mir, dass ich meinen Beitrag zu leisten lerne gegen die allgegenwärtigen Ungerechtigkeiten.



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