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Peter Maurins "Easy Essays"

von Eileen Egan / Juni 2008

Peter Maurin (geb. 9.5.1877, gest. 15.5.1949), Mitbegründer der Catholic Worker-Bewegung, hinterließ seine Gedanken in „Easy Essays“. In gedichtähnlichen Sentenzen beschrieb er pointiert seine Ideen für eine radikale Veränderung der Gesellschaft. 

Die Autorin Eileen Egan (+ 2000), die in den frühen 1940ern zum Catholic Worker stieß, blieb zeit ihres Lebens mit der CW-Bewegung verbunden.

Peter Maurin liebte es, ein Radikaler genannt zu werden, also eine Person, der es um die Wurzeln von Problemen und Fragen geht. Eine frühe Ausgabe seiner „Easy Essays“ hatte den Titel „Easy Essays in Catholic Radicalism“. Seine Arbeit als Lehrer, Prophet und Mitbegründer des Catholic Worker erinnert uns an die Worte von Henry David Thoreau: „Tausende, die an den Zweigen des Übels hacken, stehen einem einzigen gegenüber, der auf die Wurzel zielt; und es ist durchaus wahrscheinlich, dass jene, welche den größten Anteil an Zeit und Geld geben, diejenigen sind, die durch ihren Lebensstil am meisten dazu beitragen, das Elend zu erzeugen, das sie vergeblich sich mühen, aus der Welt zu schaffen.“

Dorothy Day berichtet, wie sie und Peter Maurin vom damaligen Herausgeber der Zeitschrift „The Commonweal“ zusammengebracht wurden. George Shuster veranlasste Peter, Dorothy zu besuchen, da er meinte, dass ihre Ideen sich ähnelten. George entdeckte an ihnen nicht nur Kritik der sozialen Ordnung, sondern auch die Überzeugung, dass jede Person Verantwortung trägt, etwas zu deren Veränderung hin zum Guten zu tun.

An dem Abend, als ich Peter traf“, erinnert sich Dorothy, „kam ich gerade von einem Auftrag für „The Commonweal“ zurück. Ich war zur Berichterstattung über den von den Kommunisten angeregten Hungermarsch der Arbeitslosen in Washington gewesen. Am ‚Schrein der Unbefleckten Empfängnis’ hatte ich dafür gebetet, etwas zu finden, um mehr für die soziale Ordnung zu tun, als über deren Bedingungen zu berichten. Ich wollte sie verändern, nicht nur über sie berichten. Aber ich hatte meinen Glauben an die Revolution verloren. Ich wollte meinen Feind lieben, sei er Kapitalist oder Kommunist.“

Ein gebildeter Mann

Das war im Dezember 1932. Für die nächsten Monate übernahm es Peter, Dorothy in der katholischen Soziallehre zu unterrichten, in der Geschichte der sozialen Bewegungen in Europa, in Wirtschaft, die sich nicht dem ethischen Vakuum des Kapitalismus, sondern dem Evangelium von Jesus verpflichtet weiß, in der Geschichte des ökonomischen Denkens und der Geschichte der Kirche. Er war ein gebildeter Mann, der zunächst als Laienschüler, dann als Lehrbruder in dem durch Jean Baptiste de la Salle gegründeten Lehrorden erzogen worden war. Fast täglich teilte Peter Maurin all das, war er gelernt hatte. Um etwa drei Uhr nachmittags traf er in Dorothys Mietwohnung in Manhattan ein. Während Dorothy ihre Hausarbeit machte und sich um ihre Tochter kümmerte, redete und erklärte Peter, stellte seinen Standpunkt dar und bezog sich auf seine Bündel von Essays und Zusammenfassungen von Artikeln und Büchern. Oft war es zehn oder elf Uhr nachts, bevor er zum Schluss kam. Wie Dorothy erzählte, war er „einer jener Leute, die dich taub, stumm und blind reden, der jedes Mal, wenn er dich sah, die Unterhaltung genau dort wieder aufnahm, wo er beim letzten Treffen stehen geblieben war, und der niemals aufhörte, es sei denn, du betteltest um eine Pause, und die war nie sehr lang. Er war nicht zurückzuhalten und unfähig, sich beleidigt zu fühlen. Er glaubte ans Wiederholen, daran, uns seinen Standpunkt durch konstante Wiederholung näher zu bringen, wie das Tropfen von Wasser auf den Stein, der unser Herz war.“

Peter forderte eine personalistische und kommunitäre Revolution, eine grüne Revolution der Hoffnung anstelle einer roten Revolution der Gewalt, die für viele suchende Menschen in jener düsteren Zeit der Ausweg schien. Mit personalistisch meinte er die Anerkennung der Person in all ihrer ewigen und zeitlichen Würde und ihre Pflicht, persönliche Verantwortung für die Entstehung einer Gesellschaft zu übernehmen, „in der es leichter ist, gut zu sein. „Mit dem Ausdruck „kommunitär“ erinnerte er an die Notwendigkeit, das Wohl der Anderen als gleichbedeutsam wie das eigene Wohlergehen anzusehen, mit anderen Worten, das Konzept des gemeinsamen Gutes:

Bürgerlicher Kapitalismus / basiert auf der Macht, / zu heuern und zu feuern. / Faschistischer Korporatismus / und bolschewistischer Sozialismus / basieren auf der Macht / über Leben und Tod. / Kommunitärer Personalismus / basiert auf der Macht / von Gedanken und Vorbildern.“

Peters Programm für die neue Gesellschaft bestand aus Klärungsgesprächen („round table discussions for the clarification of thought“), Häusern der Gastfreundschaft und Landgemeinschaften. Die „Rundgespräche“ sollten durch Rückkehr zu den Prinzipien des Evangeliums und ihre Anwendung auf die menschlichen Probleme zur Klärung der Gedanken beitragen. Die Häuser der Gastfreundschaft sollten Zentren sein, in denen ChristInnen ihre Liebe und Sorge für ihre Nächsten durch die Werke der Barmherzigkeit ausdrücken konnten: die Hungernden zu ernähren, den Heimatlosen Schutz zu geben, die Traurigen zu trösten und die zu lehren, die Unterweisung brauchten. Landkommunen sollten helfen, Bauern und Handwerker mit dem Land zu verbinden und junge Leute zu einem Leben anzuregen, das auf produktiver Arbeit beruht. Für ihn waren Landkommunen „agronomische Universitäten“, wo gelernte Arbeiter ungelernten ihr Können vermitteln konnten.

Warnung vor Größe

Alles in Peter Maurins Programm war in der Person begründet, in der biblischen Vision vom unbegrenzten Wert und der Würde jeder Person. Er vertrat den Weg der radikalen Dezentralisierung und hoffte darauf, dass alle katholischen Bischöfe des Landes die Aufgabe in Angriff nehmen würden, in jeder Diözese Herbergen zu eröffnen, oder, falls nötig, Pfarreien zu helfen, ihre eigenen Herbergen einzurichten. Er warnte davor, auf Größe zu vertrauen, auf die Größe von Regierungen, Firmen, industrieller Technologie, von Gewerkschaften und Organisationen. Für ihn waren diese Kräfte der Entpersonalisierung die Zerstörer der persönlichen Verantwortung. In den frühen dreißiger Jahren, als die Lösung für das Schicksal derer, die Opfer der Weltwirtschaftskrise waren, hauptsächlich in mehr Regierung entweder rechter oder linker Ideologie (und immenser Macht über das Individuum) zu sein schien, wurde Peters Vertrauen in kleine, überschaubare Lösungen nicht von vielen geteilt. Katastrophen und offensichtliche Bedrohungen der menschlichen Gemeinschaft (und des ihr anvertrauten Planeten) waren notwendig, um breites Interesse für E. F. Schumachers „Small is beautiful“ zu wecken. Eines der Bücher, das Peter Maurin bewunderte, war von Lord Albert Howell „The Agricultural Testament“, eine wissenschaftliche Abhandlung über die unbedingte Notwendigkeit, die Gesundheit des Bodens durch organische Anbaumethoden zu erhalten. Da Peter auf einem Bauernhof in Südfrankreich groß geworden war, den seine Vorfahren seit fünfzehnhundert Jahren bewirtschaftet hatten, wusste er, wie wichtig es ist, dem Land das zurückzugeben, was man ihm genommen hat. Er fürchtete die endgültige Auswirkung von Chemikalien, die schnellen Erfolg bringen, aber den Boden auslaugen. Im Verlauf der Zeit erscheinen seine Ideen als immer praktikabler.

In den frühen dreißiger Jahren, als die „große Wirtschaft“ und die „große Industrie“ es auf tragische Weise versäumt hatten, ihr Versprechen von Wohlstand zu erfüllen, spornte Peters Programm Gruppen an, die ihn reden gehört oder seine Easy Essays im Catholic Worker gelesen hatten. Die Auflage der Zeitung stieg auf über 110.000 an. Häuser der Gastfreundschaft entstanden in den Städten im ganzen Land. Landkommunen wurden aufgebaut und eine ganze Anzahl von Familien versuchte, entweder allein oder zusammen mit ein paar anderen Familien, sich auf dem Land niederzulassen und dort ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber die Depressionszeit ging zu Ende, und eine kranke Wirtschaft wurde durch eine noch größere Krankheit gerettet, die Kriegsvorbereitung.

Bald wurden viele der Arbeitslosen von Kriegsfabriken eingestellt, und junge Leute wurden von Armeebataillonen verschlungen. Peter war gegen jede Art von Krieg. Er hat seine Ideen anderen nicht aufgedrängt, aber er erklärte, dass er in Bezug auf den Krieg dem Weg des Heiligen Franz von Assisi und den Ratschlägen der Kirche folge.

Peters Diagnose der Gründe für diesen Abstieg in ein neues Dunkles Zeitalter war eindeutig:

„Wir haben über unsere Gegenwart
unglückliche Bedingungen gebracht,
indem wir Erziehung, Industrie, Politik, Wirtschaft und Geschäftswesen
von Moral und Religion getrennt haben
und für lange Jahrzehnte
die angeborene Wurde des Menschen ignoriert
und auf seinen Menschenrechten herumgetrampelt haben.
Wir haben Religion aus allem genommen
und haben alles mit Geschäftssinn durchsetzt.
Nach St. Thomas von Aquin
ist der Mensch
mehr als ein Individuum mit individuellen Rechten:
er ist eine Person
mit persönlichen Pflichten gegenüber Gott,
gegenüber sich selbst,
gegenüber seinem Nächsten.
Als Person kann der Mensch nicht Gott dienen,
ohne dem gemeinsamen Gut zu dienen
.“

In seinem lapidaren Stil hat Peter eine klare Definition des Säkularismus gegeben. Er trieb seinen Stil auf die Spitze, wenn er seine personalistische Revolution in drei Worten zusammenfasste:

„Kult, Kultur und Kultivierung“

Kult umfasst die Verehrung eines Schöpfers, dessen Gebot an seine Geschöpfe gegenseitige Liebe und Dienst aneinander durch die Werke der Barmherzigkeit ist. Kultur verbindet die Menschheit mit ihrem Erbe an Literatur und Geistesleben. Kultivierung beinhaltet den richtigen Gebrauch der Erde und ihrer Ressourcen durch vorsichtige und verantwortungsbewusste Arbeit.

Die Methoden, die Peter zur Heilung der Gesellschaft vorschlug, waren die des Personalismus.

Radikal im Recht zu sein,
heißt zu den Wurzeln zu gehen,
indem man eine Gesellschaft fördert,
die auf Glauben beruht
anstatt auf Geiz,
auf systematischer Selbstlosigkeit
und auf sanftem Personalismus.
Indem man eine Gesellschaft fördert
die auf Glauben beruht
anstatt auf Geiz,
auf systematischer Selbstlosigkeit
anstatt auf systematischer Selbstsucht,
auf sanftem Personalismus
anstatt auf rauem Individualismus,
schafft man
eine neue Gesellschaft in der Hülle der alten
.“

Peter vermied Gewalt in jeder Form, selbst sprachliche Gewalt. Anstatt der Polarisierung Vorschub zu leisten, anstatt Kapitalisten oder Kommunisten zu verteufeln, um Hass zu säen, suchte er nach Übereinstimmungen. Er wollte sie als Verbindungsglieder für mögliche Zusammenarbeit auf der menschlichen Ebene nutzen.

Peters Essays wurzeln, obwohl sie seine Vertrautheit mit Denkern wie Kropotkin und Marx zeigen, in der Botschaft Jesu. Die Wirtschaftstheorie, die er lehrte, und der Lebensstil, den er nicht nur lehrte, sondern auch lebte, spiegelten die Liebe wider, die Jesus seinen Nachfolgern aufgetragen hat, eine Liebe, die im Kontext der Not zu den Werken der Barmherzigkeit wird.

Oft zitierte er die christliche Pflicht, den eigenen Überfluss zum Wohl des Nächsten, und besonders des Nächsten in Not, zu gebrauchen. Dies widerspricht dem Gebrauch von Überfluss als Gewinnanlage und kollidiert mit der dem Kapitalismus eigenen Basis und der kapitalistischen Mentalität. Immer und immer wieder konfrontiert er die ethische Leere des primitiven Kapitalismus, die Auffassung, dass Geld nicht ein bloßes Tauschmittel, sondern ein Mittel sei, noch mehr Geld zu machen. Peter Maurin stimme mit R. H. Tawney überein, dass die absolute Grundlage der habgierigen Gesellschaft unserer Zeit die Legalisierung des Zinswesens sei, oder das Verleihen von Geld zum Zwecke des Gewinns. Er geht zurück zu der Zeit, als das Zinswesen, das ursprünglich als Gewinn an sich und nicht als unmäßiges Gewinnerzielen gemeint war, von der katholischen Kirche verboten war.

Die Propheten Israels und die Kirchenväter“, so schrieb er, „verboten das Geldverleihen zu Gewinnzwecken.“ Der Catholic Worker hat sich standhaft geweigert, Gewinne zu erzielen, zur Ärgernis, wenn nicht zum Skandal für viele.

Arbeit bedeutete für Peter die Kooperation mit der Natur und mit anderen zum gemeinsamen Wohl. „Arbeit und Gebet sollten miteinander verbunden werden; Arbeit sollte ein Gebet sein“, sagte er in einer grundsätzlichen Stellungnahme gegen den Säkularismus. Wenn man arbeitet und dabei an das Wohl der Nächsten denkt, wenn man seine Arbeit als heilig ansieht, und wenn man den Überfluss einsetzt, um die Bedürfnisse der Nächsten zu erfüllen, dann erreicht man das christliche Ideal, das Peter gelehrt und gelebt hat, freiwillige Armut. Das beinhaltet, das zu behalten, was man braucht, und nicht mehr.

Immer noch aktuell

Man könnte glauben, dass die Easy Essays im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts weniger Resonanz fänden. In der Tat aber scheinen sie, mit Ausnahme einiger weniger thematischer Bezüge, für diese Zeit geschrieben worden zu sein. Das „dunkle Zeitalter“, das Peter Maurin vor etlichen Jahrzehnten sah, scheint dunkler geworden zu sein. Durch die multinationalen Konzerne wütet der Kapitalismus in den unterentwickelten Teilen des Planeten. Der Industrialismus hat eine solche technologische Macht, dass er den Boden, die Binnengewässer, die weiten Ozeane und sogar die Luft, die wir atmen, verseucht. Nukleare Energie, die uns als Antwort auf die Brennstoffverknappung angepriesen wurde, stellt große Gefahren für das jetzige und zukünftige Leben dar, und nukleare Waffen bescheren uns einen Planeten, in dem der Tod pulsiert. Massenvernichtungsinstrumente werden fließbandmäßig produziert und überall auf der Welt stationiert.

Peter hat die Entwertung der Arbeit in riesigen, unpersönlichen Fabriken kritisiert; wie viel mehr würde er die Entwertung einer Arbeit kritisieren, die einer Person den Lebensunterhalt dadurch sichert, dass sie an der Herstellung von Waffen dess Massenmordes mitwirkt.

Peter Maurins Easy Essays sollten von denen studiert werden, deren Gewissen durch die Übel, die sie erkennen, aufgewühlt sind, und die nach Grundprinzipien suchen, aufgrund derer sie sich auf eine bessere soziale Ordnung hinbewegen können.
Sie glauben vielleicht, dass es nicht genug sei, „an den Zweigen des Übels zu hacken“. Das stimmt: Es ist notwendig, auf die Wurzel zu zielen.



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