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Black Lives Matter...

Bild aud den USA zur Diskussion über "All Lives Matter" (alle Leben zählen)

Black Lives Matter Demo in Hamburg am 6.6.20

von Dietrich Gerstner / August 2020

... auch dann, wenn der Ton der Auseinandersetzung nicht immer nett und freundlich oder wenn er sogar wütend sein sollte.

Ausgelöst durch die brutale Tötung von George Floyd hat die Black Lives Matter-Bewegung („Schwarze Leben zählen“) in den USA neuen Aufschwung bekommen, und auch in Deutschland wird zum ersten Mal in der Breite der Gesellschaft über Rassismus diskutiert. In den Zeitungen werden lange Artikel zu rassistischer Diskriminierung veröffentlicht, ganze Bücher werden neu geschrieben oder übersetzt aus dem Englischen zugänglich gemacht. Es bestehen viele Möglichkeiten, sich zu informieren und mehr über den Rassismus auch in diesem Land zu lernen.

In der Nordkirche machen wir uns im Rahmen der Bemühungen um eine „interkulturelle Öffnung“ der bisher v.a. weiß-deutsch geprägten Kirche Gedanken über Rassismus in unseren Gemeinden und Strukturen. Aber es ist ein sensibles Thema, denn wer möchte schon gerne von sich sagen „Ich bin ein*e Rassist*in“?

Ich finde es wichtig, dass zunehmend Schwarze Stimmen in die Öffentlichkeit treten und sich Gehör verschaffen. Denn die Perspektiven derjenigen, die von Rassismus direkt betroffen sind, die ausgegrenzt und verletzt werden, wurden bisher kaum gehört.

Das liegt vielleicht auch am „Ton“, mit dem sie ihre Erfahrungen vortragen, der für weiße Menschen zu aggressiv oder fordernd klingt. Aber geht es um „unsere“ Gefühle, ums Wohlfühlen, wenn wir uns dem System des Rassismus (entgegen) stellen? Oder um was geht es?

Das Thema ist hier das „Tone Policing“, was ich mit „Stimmungszensur“ übersetze. Es „ist eine Ablenktaktik, in der jemand den Ton, die Wortwahl und die Emotionen des Gegenübers angreift, statt auf die Inhalte einzugehen“ (Melina Borcak).

Als Anregung für unsere mehrheitlich weißen Leser*innen ist hier ein kurzer Ausschnitt aus dem Buch der Schwarzen amerikanischen Schriftstellerin Ijeoma Oluo: So you want to talk about race (2018 / deutsch: „Schwarz sein in einer rassistischen Welt. Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche“, 2020) in eigener Übersetzung zu lesen:
„Wenn Du als weiße Person gegen rassistische Unterdrückung kämpfen willst und es Dir ein Anliegen ist, (diese Art von) Stimmungszensur zu vermeiden und dich stattdessen darauf zu konzentrieren, ein*e Verbündete*r im Kampf ge-gen Rassismus zu sein, dann gibt es hier ein paar Merkpunkte:
- Sei Dir der Grenzen deines Einfühlungsvermögens bewusst. Dein (weißes) Privileg wird dich daran hindern, vollständig zu verstehen, welchen Schmerz systemischer Rassismus bei „People of Color“ (PoC) auslöst. Aber nur, weil Du das nicht verstehen kannst, ist es nicht weniger real.
- Lenke nicht ab und weiche nicht aus. Das Kernproblem in Gesprächen über Rassismus und systemischer Unterdrückung bleibt immer der Rassismus und die systemische Unterdrückung.
- Behalte Dein Ziel im Auge. Dein Hauptziel als Verbündete*r sollte es immer sein, systemischen Rassismus zu beenden.
- Lass die Vorbedingungen weg. Dieses Ziel sollte keine Vorbedingungen haben. Du bekämpfst systemischen Rassismus, weil es deine moralische Pflicht ist. Und diese Pflicht bleibt für dich bestehen, so lange es systemischen Rassismus gibt. So klar und einfach ist das.
- Gehe weg, falls Du es nicht mehr aushältst, aber gib nicht auf. Wenn Du die Sprache oder die Methoden einer unterdrückten Person oder Gruppe einfach nicht mehr aushältst, dann tritt zur Seite und finde heraus, an welcher Stelle du dich hilfreich einbringen kannst.
- Entwickle eine Toleranz für Unwohlsein. Du musst dich daran gewöhnen, dass Du dich unwohl fühlst und dass es gleichzeitig nicht um deine Gefühle geht, wenn Du dich entschieden hast, PoC in ihren Bemühungen um Gerechtigkeit angesichts von Rassismus zu unterstützen und sie nicht daran zu hindern.
- Du tust keinen Gefallen, du tust einfach das, was richtig ist. Wenn du weiß bist, denke immer daran, dass „Weiße Vorherrschaft“ (White Supremacy) ein System ist, von dem du profitierst und das dein Privileg aufrecht erhalten hat. Deine Bemühung, Weiße Vorherrschaft abzubauen, wird von dir erwartet als anständige Person, die an Gerechtigkeit glaubt. PoC schulden dir keine Dankbarkeit oder Freundschaft für deine Bemühungen. Wenn wir unsere eigenen Häuser reinigen, wird uns auch nicht dafür gedankt.

Wenn Du eine Person of Color bist, die von privilegierten Leuten für ihren Ton beschämt oder kritisiert wird, dann denke bitte an folgendes:
- Du hast ein Recht auf Deine Wut, Traurigkeit und Angst. Dies sind natürliche Reaktionen auf das unnatürliche System der rassistischen Unterdrückung.
- Du wurdest mit dem Recht auf Gleichheit und Gerechtigkeit geboren. Niemand sollte dir das wegnehmen dürfen. Du musst dir deine Menschlichkeit nicht erst verdienen.
- Du zählst. Du bist nicht weniger wert als jene, die Vorbedingungen an Deine Menschlichkeit anlegen.
- Niemand hat Autorität über Deinen antirassistischen Kampf für Gerechtigkeit. All jene, die deinen Ton, die Art und Weise, WIE Du dich äußerst, zensieren / beurteilen wollen, versuchen dich dahingehend zu manipulieren, dass du denkst, ihre Bestätigung sei nötig, um Deine Sehnsucht nach Gleichberechtigung zu legitimieren. Das ist missbräuchliches Verhalten.
- Du verdienst es, deine Wahrheit aussprechen zu können, und Du verdienst es, gehört zu werden.

Gespräche über Rassismus und rassistische Unterdrückung können sicherlich hart werden, aber das ist nichts im Vergleich dazu, wie hart es ist, gegen rassistische Unterdrückung zu kämpfen. Unsere Menschlichkeit ist ein bisschen Unwohlsein wert, tatsächlich ist sie eine Menge Unwohlsein wert. Aber wenn Du in diesem System der Weißen Vorherrschaft lebst, kämpfst Du entweder gegen das System oder Du bist ein*e Kompliz*in darin. Es gibt keine Neutralität gegenüber Systemen der Ungerechtigkeit – es geht nicht, sich da einfach raus zu halten. Wenn Du überzeugt bist von Gerechtigkeit und Gleichheit, dann sind wir in diesem Kampf zusammen unterwegs, egal ob Du mich nett findest oder nicht.“

(Seiten 209 – 211, Übersetzung Dietrich Gerstner)

Weitere Bücher zu Rassismus von Schwarzen deutschen Autor*innen, die ich empfehlen kann:
- Tupoka Ogette: exit Racism. rassismuskritisch denken lernen (2018 – Spiegelbestseller)
- Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten (2020)

Anmerkung: “Schwarz” und “weiß” stehen hier nicht wirklich für Hautfarben, sondern als politische Begriffe für Gruppenzugehörigkeiten, die bedeuten „von Rassismus negativ betroffen“ (Schwarz) bzw. im System des Rassismus privilegiert (weiß). Darum auch die unterschiedliche Schreibweise.



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