Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Hier haben alle Platz am Tisch

Ein Teil unserer Haus- und Tischgemeinschaft – nach dem Essen.

"Nennt mich nicht eine Heilige - so leicht werdet Ihr mich nicht los." (Dorothy Day)

von Uta und Dietrich Gerstner / Juni 2021

In unserem Haus der Gastfreundschaft ist der Tisch der heilsame Mittelpunkt des Lebens. Beim täglichen Abendessen wird nicht nur gemeinsam gegessen, geredet und gelacht, sondern auch Freud und Leid geteilt.

Seit vier Monaten sind sie nun bei uns im Haus: Die Freude der jungen Mutter, als Papierlose mit ihrem Baby bei uns sowohl ein Zimmer als auch Anschluss an eine bunte Großfamilie gefunden zu haben, strahlt zu allen im Haus zurück. Und am abendlichen Esstisch ist jede*r beglückt, das kleine Menschenkind auch einmal im Arm halten zu können. So viele Onkels und Tanten!

Fünfundzwanzig Jahre leben wir nun mit unserer Familie als Teil von Brot & Rosen im Haus der Gastfreundschaft. Hier verwirklichen wir unseren Traum von einer gerechteren Welt an einem konkreten Ort, an dem es für verschiedenste Menschen und besonders für schutzbedürftige Flüchtlinge Raum zum Leben gibt. Sie kommen aus unterschiedlichen Notlagen zu uns und bekommen einen Platz am Tisch, ein Bett zum Schlafen und Zeit, ihr Leben nach einer Krise neu zu sortieren und selbst in die Hand zu nehmen.

Aktuell leben wir mit 22 Menschen in unserem Großfamilien-Haushalt. Das sind einerseits wir vier Erwachsenen als Kerngemeinschaft und unsere dazugehörigen Kindern, die zunehmend ihre eigenen Wege gehen und ausziehen. Und natürlich unsere Hausgenoss*innen aus aller Welt. Einige bleiben nur ein paar Tage, mit anderen haben wir drei, vier ja sogar sieben Jahre zusammengelebt, je nachdem, wie sich ihre Situation und Perspektive entwickelt. Die meisten brauchen unser Haus etwa eineinhalb Jahre, bis sich ein neuer Weg für sie auftut. Bei manchen erinnern wir die Namen nicht mehr, aber andere sind ein Teil unserer neuen Hamburger Familie geworden.

Mit der Zeit wächst im alltäglichen häuslichen Miteinander Vertrautheit und Verantwortlichkeit und unsere Gäste werden zu Mitbewohner*innen. Dazu trägt auch bei, dass alle eine Aufgabe im Haus haben und gebraucht werden. So wird auch abwechselnd gekocht, was die Hamburger Tafel gerade ins Haus bringt oder wir vom Bioladen aus dem Stadtteil abholen.

Zentral für unser Leben ist immer wieder das abendliche Essen, zu dem wir zusammen kommen, nicht nur um zu essen, sondern auch um zu erzählen und uns gegenseitig am Leben Anteil zu geben – Tischgemeinschaft eben. Das ganze Leben hat Platz an dem großen Tisch. Vielleicht nicht immer bei der Hauptmahlzeit, aber danach gibt es ja auch noch Tee für diejenigen, die mögen. Und dann kommen die Geschichten auf den Tisch, die gerade obenauf liegen. Was haben wir hier schon gelacht und getrauert oder uns über Ramadan, Ostern und den yesidischen Glauben ausgetauscht!

Wir nennen unser Haus ein „Haus der Gastfreundschaft“. Das mag manche*n irritieren, denn wir wollen nicht in die „Gastarbeiter“-Haltung vergangener Zeiten zurückfallen. Im Gegenteil: Wir setzen uns für die Rechte unserer Mitbewohner*innen in dieser Gesellschaft ein und sehen unser Haus auch als „Notbehelf“ gegen einen Staat, der Menschen grundlegende Rechte vorenthält. Wir wollen jedoch – inspiriert aus unserem christlichen Glauben – einen Geist der Gastfreundschaft leben. Die Verheißung ist, dass wir so auch Gott begegnen.

Ein wunderbarer Nebeneffekt unserer Tischgemeinschaft ist nun die Umkehrung der alltäglichen Verhältnisse: Nicht wir als Kerngemeinschaft sind die Gastgeber*innen, sondern zumeist unsere Mitbewohner*innen, die uns zu ihrem Essen am Tisch einladen. Wie wichtig sind doch für uns alle diese Erfahrungen des Gebens und des Nehmens!

Daran hat sich in 25 Jahren „Haus der Gastfreundschaft“ nichts Wesentliches geändert. Wir sind manchmal selbst erstaunt, wie viel Praxis sich über die Jahre bewährt hat und ähnlich geblieben ist. Mittlerweile achten wir noch bewusster auf eine gute Mischung aus einerseits Stabilität und auf der anderen Seite Offenheit. So leben einige Mitbewohner*innen, die eine Ausbildung machen oder in Fortbildung sind, schon seit einigen Jahren mit uns. Nicht weil sie keine Alternative mehr hätten, sondern weil es ihnen in ihrem Leben gut tut. Und damit übernehmen sie gleichzeitig mehr Mitverantwortung für unsere Hausgemeinschaft, gerade gegenüber neueren Mitbewohner*innen. Und das tut dem ganzen Haus gut.

Bewegung gab es auch in den letzten Wochen und Monaten bei uns im Haus: Direkt nach dem „Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge“ am Karfreitag reiste unsere engagierte Freiwillige Manuela Werner ab. Sie hatte uns sechs Monate ihres Lebens geschenkt, um auch für sich neue Erfahrungen zu machen. Wie schnell hatte sie mit ihrer ruhigen und zugewandten Art und ihrem lebenspraktischen Deutschunterricht uns alle für sich eingenommen! Schade, dass sie wieder ging, aber schön, dass Manuela uns als Freundin erhalten bleibt und in den Sommerferien zwei Wochen aushilft und dann im Herbst nochmals zum Unterstützen kommt. DANKE! Und schön, dass sich immer wieder Menschen auf den Weg machen, um einen Teil ihrer Lebenszeit mit uns zu teilen.

Erfreulicherweise war es in den letzten Wochen auf unkomplizierte Weise möglich, für den Großteil unserer Mitbewohner*innen Corona-Impfungen zu organisieren. Und so konnten wir auch gleich mehrere neue Mitbewohner*innen für kürzer oder länger aufnehmen, nicht zuletzt die junge Mutter mit ihrem Baby. Was für ein Geschenk kleine Kinder im Haus sind, erleben wir täglich - sowohl für die Eltern, als auch für all diejenigen, denen es gut tut, so ein kleines Leben zu behüten und zu bespaßen. „Vergesst nicht, Gastfreundschaft zu üben, denn auf diese Weise haben einige, ohne es zu wissen, Engel bei sich aufgenommen“.



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