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Unfassbar,...

Shirley mit einem Foto von Transmigrant*innen, die an der Grenze zwischen den USA und Mexiko stehen.

... dass der Staat Menschen verfolgt, die er doch eigentlich schützen sollte,“ so Shirley Mendoza, die aus Honduras fliehen musste, weil ihr Leben bedroht war. Sie hatte dort eine Menschenrechtsorganisation gegründet und sich auch für die Rechte von Transsexuellen eingesetzt. Heute lebt sie bei Brot & Rosen und engagiert sich weiter für Menschenrechte. Dieses Interview wurde zuerst in der Zeitschrift weltbewegt, in der Ausgabe März - Mai 2019, veröffentlicht. Das Gespräch mit Shirley Mendoza führte Ulrike Plautz.

Was waren die konkreten Fluchtgründe?
Der letzte Auslöser war ein Mordanschlag auf mich. Auch vorher wurde ich schon häufiger bedroht und verprügelt, weil ich eine Transfrau bin. Dabei erlitt ich zum Teil so schwere Verletzungen, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Da ich außerdem noch in einem Menschenrechtsbüro arbeitete, war ich irgendwann auch dem Staat ein Dorn im Auge. 2014 wurde ich aus einem fahrenden Auto heraus angeschossen. Den Anschlag habe ich überlebt, beide Kugeln konnten aus meinem Bauch operiert werden. Die Täter hatte man aber nie gefasst. Das Trauma ist geblieben. Vor allem für meine Mutter wurde es immer schwerer, das alles auszuhalten. Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, Honduras zu verlassen. Es fiel mir unglaublich schwer, meine Familie, mein Zuhause und meine Arbeit zurückzulassen. Aber ich hatte keine andere Wahl. So bin ich vor zwei Jahren nach Deutschland geflohen.

Wie geht es Ihnen heute?
Ich vermisse das Land, vor allem meine Familie und Mutter immer noch sehr. Sie leben in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, in der ich aufgewachsen bin. Außerdem treibt es mich immer noch um, dass ich aus dieser Arbeit, die ich aufgebaut habe, herausgerissen wurde und mich nicht mehr vor Ort für die Rechte der Verfolgten einsetzen kann. Von den vier Gründerinnen ist inzwischen eine tot und die drei anderen leben in aller Welt verstreut. Dennoch bin natürlich erst einmal dankbar, heute in einer Gemeinschaft wie Brot & Rosen leben zu können. Hier fühle ich mich aufgehoben und kann wie in einer Familie Gefühle und Erfahrungen teilen.

Wie sah Ihre Menschenrechtsarbeit in Honduras aus?
Vor zwölf Jahren hatte ich zusammen mit vier anderen Transfrauen die Menschenrechtsorganisation Cozumel Trans gegründet. Anfangs waren viele überrascht, dass ich als Transfrau so etwas mache, wo die meisten doch ihr Geld in der Prostitution verdienen. Das wäre für mich natürlich nie in Frage gekommen. Im Menschenrechtsbüro waren wir Ansprechpartnerinnen, besonders für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Lebensform verfolgt werden. Außerdem war es unsere Aufgabe, Anklagen zu verfolgen. Das war meist sehr schwierig und manchmal auch unmöglich. Zum einen, weil unser Rechtssystem die betroffenen Gruppen in der Praxis nicht schützt. Vor allem aber, weil diejenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, oft selbst zur Polizei gehörten. In unserer Gesellschaft, die sich zunehmend militarisiert hat, wurden Lesben, Schwule, Bi-und Transsexuelle immer häufiger Opfer von Staatsgewalt. Seit dem Putsch im Juni 2009 wurden 300 Morde an Transpersonen verübt. Davon gingen viele auf das Konto von Polizisten und Militärs. Nicht selten wiesen die Opfer Folterspuren auf. Dazu muss man wissen, dass Aggressionen gegenüber diesen Gruppen noch durch eine Medienberichterstattung geschürt wird, die Menschen mit anderen Lebens- und Liebesformen und vor allem Transpersonen als anormal stigmatisiert.
Für mich kommt verschärfend hinzu, dass bei uns allein schon der Einsatz für Menschenrechte verfolgt wird. So wurde die Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres Flores 2016 ermordet. Ihr Tod hatte weltweit für Aufsehen gesorgt, als bekannt wurde, dass der Staat und private Firmen hinter dem Mordanschlag standen. In diese Richtung passt, dass es seit 2016/17 ein neues Antiterrorgesetz gibt. Demnach können Personen, die sich an Straßendemonstrationen beteiligen, mit Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren angeklagt werden. Wenn wie in meinem Fall beides zusammenkommt: eine Existenz als Transfrau und der Einsatz für Menschenrechte, dann ist das umso gefährlicher. Für mich ist es immer noch unfassbar, dass eine Institution wie der Staat Menschen verfolgt, unterdrückt und misshandelt, die er doch eigentlich schützen sollte.

Welche Erfahrungen machen Sie, seitdem Sie in Deutschland leben?
Auch hier ist es natürlich nicht ganz einfach für mich. Es fängt schon damit an, dass in einem Pass „männlich“ steht, weil man in Honduras, wie in vielen anderen Ländern auch, nur zwei Geschlechter anerkennt. Das hat es mir hier in Deutschland nicht leichter gemacht. In den Papieren bin ich auch hier immer noch ein Mann. Aber Angst um mein Leben habe ich nicht mehr.

Was hat Sie unterstützt und Ihnen Kraft gegeben?
In Honduras waren es mein Glaube und vor allem die Liebe von meiner Mutter, die mir immer Rückhalt gegeben und gesagt hat, dass ich mich von niemandem kleiner machen lassen soll. In Deutschland hat es mir, wie gesagt, sehr geholfen, dass ich im Wohnprojekt bei Brot & Rosen wohnen kann und dann auch noch bei den Peace Brigades International (nichtstaatliche internationale Friedens- und Menschenrechtsorganisation, die durch Präsenz internationaler, unbewaffneter Freiwilligenteams bedrohte Menschenrechtsverteidiger/-innen in Konfliktgebieten begleitet; d. Red.) in Hamburg gleich eine Aufgabe gefunden habe. Da ich während meiner Arbeit in Honduras bereits mit den Peace Brigades zu tun hatte, konnte ich schon vor meiner Flucht Kontakt aufnehmen. In Hamburg hatte mir die Organisation dann einen Freiwilligendienst zu den Themen Transphobie und Flüchtlinge angeboten. Heute gehe ich in Schulen und biete Bildungsprojekte zum Thema Flucht an. Viele Schülerinnen und Schüler sind überrascht, dass es auch Flüchtlinge aus anderen Ländern gibt und nicht nur aus Kriegsgebieten wie Syrien. Neben dem Thema Flucht befasse ich mich weiterhin auch mit dem Genderthema und der Diskriminierung von Frauen. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist in Honduras ja besonders groß. Aber leider werden Frauen überall auf der Welt immer noch diskriminiert, das ist in den einzelnen Ländern nur mehr oder weniger stark ausgeprägt.

Was sind Ihre größten Wünsche?
Ich will mich weiterhin unbedingt für Menschenrechte einsetzen. Mein größter Traum ist es aber, dass mir irgendwann auch als Transfrau alle Lebens- und Arbeitsbereiche offen stehen und es auch für andere nichts Besonderes mehr ist, wenn ich mich für die Menschenrechtsarbeit einsetze. Ich wünsche mir, dass irgendwann alle Transpersonen und überhaupt Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Lebensform alle Rechte haben und ein Leben in Würde führen können.



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