Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Dorothee Sölle & Dorothy Day

von Frauke Niehjahr / Juli 2003

Selbst in ihrem Tod hat Dorothee Sölle uns wieder angestossen. In der Gemeinschaft haben wir viel miteinander ausgetauscht über das, was wir von ihr als Theologin und als Frau gelernt haben: Von ihrer Art quer zu denken, von ihrem frechen Witz, von ihrer Frömmigkeit, von ihrer Widerständigkeit und auch von den neuen Räumen, die ihre Sprache geschaffen hat. Wir werden Dorothee Sölle, die Prophetin, die Stimme für die Stummgemachten unserer Zeit vermissen.

Dorothee Sölle war für uns bei Brot und Rosen eine Verbündete. Als eine der wenigen Erste-Welt-BefreiungstheologInnen waren ihr die Wurzeln unserer Catholic Worker Bewegung bekannt und wertvoll. Schon in der Planungsphase von Brot & Rosen kam Dorothee Sölle unsere Gruppe besuchen. Sie hat, noch bevor es unser Haus der Gastfreundschaft gab, uns in unserer Vision bestärkt und auch praktisch ermutigt, umzusetzen, wovon wir damals erst noch träumten. Sie verstand und bestärkte uns in unserem Engagement, unser Leben mit den armen und ausgegrenzten Menschen zu teilen im Glauben an die große Kraft und Vorfreude auf das Reich Gottes. An einem der ersten Offenen Abende las sie für uns aus ihrem Buch "Mystik und Widerstand", und auch ihr Vorwort für das Büchlein "Frieden stiften" steht für die gemeinsame Verbundenheit mit den Wurzeln unserer Bewegung in den USA.

In ihrer Biographie "Gegenwind" beschreibt Sölle, wie sie die Suppenküche des Catholic Worker in Manhattan kennenlernte, deren Gäste die Ärmsten der Armen waren. Dort begegnete sie Dorothy Day, der "großen alten Frau eines kompromißlosen Katholizismus, Pazifistin und Anarchistin, Gründerin des Catholic Worker." Beeindruckt schreibt Sölle: "Zum ersten Mal habe ich damals verstanden, was freiwillige Armut bedeutet. Dorothy Day erwähnte nebenbei, daß Leute immer wieder in ihr Zimmer kommen, dort eine Weile hausen, Sachen mitnehmen oder liegenlassen. Der Verzicht auf Eigentum, den sie lebte, schloß auch den Verzicht auf eine private Sphäre ein. Dorothy Day, die eine ausgezeichnete, witzige und klar denkende Journalistin war, lebte in Besitzlosigkeit und im Dienst für die, die von der Gesellschaft aufgegeben sind und in den allermeisten Fällen auch sich selber aufgegeben hatten. Der andere Schwerpunkt ihres Lebens war der radikale Pazifismus. Als sie während des Vietnamkrieges bei einer Protestaktion verhaftet wurde, haben viele Christen in den Staaten verstanden, was für ein Krieg und was für ein System das ist, das es nötig hat diese absolut furchtlose alte Frau ins Gefängnis zu werfen."

Am Beispiel von Dorothy Day macht Dorothee Sölle Mut, um die Gabe der Tränen zu beten: "Wie jeder Mensch, der nach Gerechtigkeit und Frieden Hunger und Durst hat, so geriet auch Dorothy Day in Phasen der absoluten Erschöpfung, der Trauer und des Schmerzes. (...) In diesen Zeiten, so wurde mir berichtet, habe sie sich zurückgezogen und geweint. Stundenlang, tagelang geweint. Ohne Gespräch, ohne Nahrung einfach dagesessen und geweint. Sie hat sich nicht aus ihrem aktiven und kämpferischen Leben für die Ärmsten zurückgezogen, und sie hat nie aufgehört, den Krieg und die Kriegsvorbereitung als ein Verbrechen an den Ärmsten anzusehen. Aber zu Zeiten hat sie bitterlich und lange geweint. Als ich das erfuhr, verstand ich etwas besser, was Pazifismus ist; was Gott in der Mitte der Niederlage bedeutet, wie der Geist uns tröstet und uns zur Wahrheit führt, wobei eines nicht auf Kosten des anderen geht und Trost nicht mit dem Verzicht auf Wahrheit gekauft werden kann. (...) Wenn wir lernen, den Schmerz und die Freude mit andern zu teilen, dann wird unser Alltag geheiligt: Die Wünsche und die Ängste leuchten in ihm auf." (Zitate aus: Dorothee Sölle, Gegenwind - Erinnerungen, München 2003, S. 164-166)

So bemühen wir uns weiter, Brot und Rosen, beide Teile zusammen auszusprechen und zusammen zu leben. Und sicher ist es kein Zufall, das auch Sölle in einem Gedicht folgenden Kehrvers des alten Lieds "Brot und Rosen" aufnimmt, 1912 von Textilarbeiterinnen in den USA während eines wichtigen Streiks gesungen und seither in der internationalen Frauenbewegung immer weiter tradiert: "Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen! Brot und Rosen!" Bei Sölle heißt es im Gedicht "spiel doch von rosa anna & rosa":

 

"Ich hab das weinerliche Zeug satt,

spiel mir von anna und den beiden rosas

spiel mir von wirklichen menschen (...)

spiel doch von brot und rosen

spiel doch von fleischpreisen und einer freien gewerkschaft

spiel gegen die stahlhelme und was darunter steckt

spiel gegen atomraketen und was dahintersteckt

ihr könnt die sonne nicht verhaften - sie scheint

ihr könnt die rosen nicht zensieren - sie blühen

ihr könnt die frauen nicht kleinkriegen - sie lachen

spiel doch von rosa luxemburg

spiel doch von rosa parks

spiel doch von anna walentinopwic

spiel doch von unseren schwestern

spiel doch von uns."

 

Es ist Juni. Der Rosenstock auf unser Terrasse, der 1996 beim Einzug in dieses Hauses hier neuen Boden für seine Wurzeln gefunden hat, trägt phantastische Blüten. Riesige rote Rosen, deren Duft uns und unseren Gästen zuweht: jeden Tag Brot und Rosen.



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