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Peter Maurin: Arbeiter, Gelehrter, Heiliger

Peter Maurin war mit Dorothy Day der Mitbegründer der Catholic Worker-Bewegung und hauptsächlich verantwortlich für die visionäre Kraft innerhalb der Bewegung.

Wir drucken hier eine Übersetzung einer Kurzbiographie von Jim Forest ab.

 

Aristode Pierre Maurin wurde am 9. Mai 1877 in eine Bauernfamilie in Oultet, einem kleinen Ort in der Region Languedoc in Südfrankreich, hinein geboren. Mit 16 Jahren trat er dem Lehrorden der "Christlichen Brüdern" bei, der Schwergewicht auf einen einfachen Lebensstil, Frömmigkeit und Dienst an den Armen legte.

Die Absolvierung des Militärdienstes 1898/99 unterbrach Maurins Gemeinschaftsleben. In dieser Zeit wurden ihm die Spannungen zwischen religiösen und politischen Pflichten bewußt. 1903 erneuerte er sein jährliches Versprechen bei den "Christlichen Brüdern" nicht mehr und verließ den Orden. Er wurde Mitglied von "Le Sillon", einer linken katholischen Laienbewegung, die Kooperativen und Gewerkschaften unterstützte.

1909 emigrierte er nach Kanada. Er nahm jede Arbeit an, zunächst in Kanada, dann in den Vereinigten Staaten: er hob Gräben aus, brach Steine im Steinbruch, erntete Weizen, schlug Holz und legte Eisenbahnschienen. Er arbeitete in Ziegelfabriken, Stahlmühlen oder Kohleminen. Um zu überleben, gab er auch Französischunterricht. Wegen Vagabundierens und Schwarzfahrens verbrachte er einige Zeit im Gefängnis. Er hat nie geheiratet.

In diesen Jahren des Nachdenkens und der harten Arbeit erkannte Maurin, daß Armut ein Geschenk von Gott ist. Sein von Besitz unbelastetes Leben gab ihm Zeit, um zu studieren und zu beten. Aus diesen Überlegungen floß seine Vision einer sozialen Ordnung, die sich auf ein Evangelium gründet, das "es den Menschen leichter macht, gut zu sein".

Wann immer er die Zeit hatte, fuhr er nach New York und setzte sich dort in die öffentliche Bibliothek, um zu lesen, oder erzählte auf der Straße von seinen Ideen. Er entdeckte, daß der Weg, den Mann auf der Straße zu erreichen, die Straße selbst ist. Er war ein geborener Lehrer, lebendig, mit vielen Einsichten und mit einem guten Humor ausgestattet.

Auf der Straße fand er in seinen Auditorien aufmerksame Zuhörer, wie z.B. George Shuster, der Herausgeber des "Commonweal" Magazins. Dieser gab ihm die Adresse von Dorothy Day, einer katholischen Konvertitin, die bei Shuster als freie Journalistin ihren Lebensunterhalt verdiente. Im Dezember 1932 stellte Peter Maurin sich Dorothy Day vor. Für viele war Maurin nur ein zusätzlicher Straßenprophet, Dorothy Day aber erkannte in ihm die Antwort auf ihre Gebete, denn er eröffnete ihr eine neue Lebensperspektive.

Maurin sah Day als die neue St. Katharina von Siena, die Reformerin und Friedensunterhändlerin des Mittelalters. Aber zuerst benötige sie eine wahrhafte katholische Erziehung. Maurin schlug vor, die Geschichte nicht als eine Reihung von Aufstieg und Fall von Nationen zu betrachteten, sondern einen neuen Blick auf die Geschichte zu bekommen, indem man die Leben der Heiligen las. So sollte Dorothy Day verstehen, daß alle Programme sozialer Veränderung zwei Schwerpunkte haben: "Heiligkeit" und "Gemeinschaft".

Maurin schlug vor, eine neue Zeitung herauszugeben, um katholische soziale Inhalte zu publizieren und Schritte vorzubereiten, die eine friedliche Transformation der Gesellschaft ermöglichen. Day griff die Idee auf, auch wenn ihr zunächst unklar blieb, wie sie das Geld für solch ein Wagnis zusammen bekommen sollte. "In der Geschichte der Heiligen", versicherte Maurin, "wird Kapital mit Gebeten gesammelt. Gott schickt, was du brauchst, wann du es brauchst".

Aber als am 1. Mai 1933 die erste Ausgabe der neuen Zeitung "The Catholic Worker" ausgeteilt wurde, war Maurin enttäuscht und bat darum, seinen Namen nicht auf die Herausgeberliste zu setzen. Er kritisierte an der Zeitung, daß sie zu wenig Ideen und Strategien für eine neue soziale Ordnung beinhalte. Was am Nötigsten sei, sei eine Vision von einer Gesellschaft und damit ein Konzept mit konstruktiven Schritten, um sie im eigenen Leben realisieren zu können. "Der Catholic Worker", sagte Maurin, "sollte nicht nur eine weitere Gruppe von Bescherdeführern sein. Er sollte auch für die ‚grüne Revolution' arbeiten".

Maurin sah keinen Sinn darin, für bessere Arbeitszeiten und mehr Bezahlung an entmenschlichenden Arbeitsplätzen zu kämpfen. "Es ist Zeit", so Maurin, "die Bosse zu feuern". Aber wo sollten diese hingehen? Wie leben? "Auf dem Land gibt es keine Arbeitslosigkeit", antwortete Maurin. Der "Catholic Worker" sollte für eine dezentrale Gesellschaft einstehen und Kooperativen stärken. Es könnten kleine Betriebe mit Kunst- und Holzhandwerk und bäuerliche Gemeinschaften entstehen, die den Arbeitern gehören. Das Zusammenleben von Arbeitern und Intellektuellen in bäuerlichen Gemeinschaften fördere gemeinsames Schwitzen, Denken und Beten und dadurch eine "Arbeiter-Denker-Synthese".

Maurin wurde oft beschuldigt, ein utopistischer Romantiker zu sein, der rückwärtsgewandt lebt. Aber Dorothy Day öffnete sich seiner Gesellschaftskritik und teilte seine Ansichten, daß Gemeinschaft wichtiger sei als eine Massengesellschaft. In seinen Artikeln im "Catholic Worker" machte Maurin sich immer wieder zu einem Anwalt der alten christlichen Praxis der Gastfreundschaft:

"Menschen, die in Not sind und keine Angst haben, andere um Hilfe zu bitten, geben Menschen, die nicht in Not sind, die Möglichkeit, Gutes zu tun um des Gutseins willen. Die moderne Gesellschaft nennt einen Bettler Schnorrer. Aber die alten Griechen sagten, daß die Armen Botschafter der Götter seien. Und obwohl du Bettler und Schnorrer genannt wirst, bist du auch heute tatsächlich ein Botschafter Gottes. Als Botschafter Gottes sollte dir Essen, Kleidung und Obdach von denen gegeben werden, die die Möglichkeit dazu haben."

Jedes Haus, so Maurin, sollte ein "Christus-Zimmer" und jede Gemeinde ein "Haus der Gastfreundschaft" haben, um in der Lage zu sein, die "Botschafter Gottes" zu empfangen.

Als ein starker Befürworter von Bildung durch Dialog setzte sich Maurin für wöchentliche Diskussionsforen ein, um eine Bewußtseinsbildung voranzutreiben ("round table discussions fo the clarification of thoughts"). Diese Freitagabend-Treffen waren schnell etabliert und wurden zu einer Tradition der Catholic Worker-Gemeinschaften.

Die "catholic worker" starteten bald auch eine bäuerliche Gemeinschaft, welche Maurin lieber "Agronomische Universität" nannte. 1938 zog er auf die "Maryfarm", ein 10 Hektar großes Grundstück der Gemeinschaft in Easton, Pennsylvania. Unglücklicherweise wollten auf der Farm immer mehr Menschen über Theologie und Politik diskutieren, anstatt auf den Feldern oder im Haus zu arbeiten. Kleine Dinge wurden dadurch zu großen Problemen. Maurin schien allein die notwendigen Arbeiten zu bewältigen. 1944 mußte die Farm verkauft werden. Andere Farmen wurden gekauft, dienten aber eher als ländliche Häuser der Gastfreundschaft, anstatt als "Agronomische Universitäten"

Von der Gründung der Bewegung im Jahr 1933 bis 1944 reiste Maurin viel und sprach in Gemeindehäusern und an Straßenecken zu jedem, der sich für seine visionären Ideen interessierte. Nachdem er 1944 einen, wie es schien, kleinen Schlaganfall erlitten hatte, begann er, sein Gedächtnis zu verlieren.

Dorothy Day schrieb über die letzten Jahre: "Er litt und schwieg, schleppte sich nur schwer umher, immer begleitet von unserer Angst, plötzlich die Orientierung verloren zu haben und nicht mehr nach Hause zu kommen, wie es einmal für drei Tage geschehen war. Er wurde von einigen Besuchern angeschrien, als sei er taub, oder auch angesprochen, als sei er ein Kleinkind, das nichts versteht und einfältig ist, mit dem man besonders einfach reden müßte und dies in einer Sprache, die so einfach gemacht wurde, daß sie den Punkt der Absurdität längst überschritten hatte. Dies war eines der härtesten Dinge, die wir zu tragen hatten: daß andere ihn behandelten, als sei er einfältig." Denn Dorothy Day hatte ihn mit seiner Fähigkeit kennengelernt, Stunde um Stunde, oft bis weit über Mitternacht reden und lehren zu können.

"Er war ein Franziskus unserer Zeit. Er war ein Mann mit einer Mission, einer Vision, einem Apostelamt. Aber er selbst hat alle Ehre, Prestige und Anerkennung abgewehrt. Es kam nie ein böses oder unbedachtes Wort über seine Lippen. Seine Liebe war offen für jedeN. Er sah jedeN, wie Gott ihn/sie sieht. Mit anderen Worten: Er sah Christus in ihnen."

Seine letzten fünf Jahre lebte er zurückgezogen und ruhig auf der Maryfarm, dem Catholic Worker-Einkehrzentrum in Newburgh. Über seinen Tod 1949 wurde in der New York Times und in der Vatikan-Zeitung "L' Osservatore Romano" berichtet. Das Time Magazine hielt fest, daß Peter Maurin in einem abgelegten Anzug und in einem geschenkten Grab beigesetzt wurde, ein angemessenes Arrangement für einen Mann, der "in keinem eigenen Bett geschlafen und nur Anzüge getragen hat, die ihm jemand geschenkt hatte".

Nach seinem Tod wurde die Farm in Staten Island nach Peter Maurin benannt, die noch heute in Marlborough, New York besteht.

(nach "Peter Maurin. Co-Founder of the Catholic Worker movement" von Jim Forest, übersetzt von Ute Andresen)



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