Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Halt und Haltung zu Menschenrechten - Ohnmacht und Spiritualität

von Fanny Dethloff / März 2013

Fanny Dethloff, Flüchtlings- und Menschenrechtsbeauf­tragte der Nordkirche, trug diese Gedanken am Tag der Menschenrechte beim Workshop zu “Ich war fremd - ihr habt mich aufgenommen” in Hamburg vor.
Am 11.12.12 wurde Fanny Dethloff vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein mit dem “Leuchtturm des Nordens” ausgezeichnet.

Aus der Ohnmacht erwächst Kraft – das ist die Verheißung. In der Ohnmacht erblüht die Spiritualität. Und zwar nicht als Vertröstung, sondern als Kraft, als Neubeginn, als Hoffnung.
Vertröstungen gibt es in unserer Gesellschaft genug: das Fernsehen ist voll davon, Konsum verspricht und wirbt damit. Nein, es geht um etwas unverbrüchlich Anderes, das Spiritualität genannt wird.
Viele, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, kennen dieses Gefühl der Ohnmacht, teilen die hilflose Wut angesichts von Ungerechtigkeit gegen Fremde, gegen Migranten.
Spiritualität, Kraft, Hoffnung erblüht an diesen Orten der Ohnmacht, wenn wir es wahrnehmen – sonst würde niemand von uns so lange durchhalten. Ich nenne es so, manche nennen es anders.
Wir sind die, die nicht jeden als Fremden, Migranten, Flüchtling sehen oder als Wirtschaftsflüchtling diffamieren, sondern wir sehen unser Gegenüber als Person, als Familie, als Kind. Wir sind die, die hinhören, Geschichten aufnehmen, uns berühren lassen.
Desto mehr schmerzt es dann oft, wenn wir auf die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stoßen, die es in Amtsstuben, in der Mitte der Gesellschaft, mitten unter uns – auch in der Kirche –gibt.
Warum besuchen Sie als Christin nicht lieber ein Altenheim statt die Abschiebehaft?“, werden wir gefragt. So als wäre die Rechtlosigkeit, die an vielen Orten herrscht, nicht überall ein Skandal und den Einsatz wert.
Wir können doch nun wirklich nicht allen helfen.“, hören wir oder auch: „Wo sollen die denn alle hin – und übrigens mein Sohn hat auch keine Arbeit.“
Sich gerade machen, Antworten geben, aufstehen. Ich finde Halt bei dem, der selbst uns im Fremden begegnet.
Ich finde Halt dort, wo viele Menschen nicht genauer hinsehen wollen oder können.
In der Ohnmacht liegt die Kraft. Denn ohne Macht zu sein, ist die Verheißung. Da findet es statt, das Reich Gottes, das wir als Christen erbitten, und im Gebet herbeisehnen.
Nein, ich weiß sehr gut, dass es oft eben nicht Christinnen und Christen sind, die sich aufmachen und z.B. den Roma-Familien, die aus Hamburg abgeschoben oder unter Druck zur Auseise genötigt wurden, hinterher reisen, sie besuchen und zu ihrer jetzigen Situation befragen und dies dokumentieren. Sondern einfach Menschen, die diese kannten, sie wichtig fanden. Darin geben sie uns ein Vorbild, auch im Glauben. Denn Glauben hat nichts Privates, Stilles, sondern ist immer nur in der Wechselwirkung zwischen mir und Anderen, zwischen Kontemplation und Aktion, zwischen Verzweiflung und Hoffnung erfahrbar.
Wir retten diese Welt sicher nicht, aber obwohl es finster aussieht, entzünden wir Lichter; obwohl wir mutlos sind, beginnen wir neu; obwohl es aussichtslos ist, wagen wir es; obwohl so viele ohne Heimat sind, beherbergen wir Gäste und beheimaten uns selbst darin.
Ich war fremd – das total Fremde lässt Menschen erstarren, - so wie in der Weihnachtsgeschichte die Hirten erstarren – und das erste Wort dazu ist „Fürchte dich nicht!“ Alle göttlichen Botschaften werden so eröffnet. Gott, an den ich glaube, führt immer in die Befreiung und ermutigt dazu.
Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“, die Bibel erzählt die Geschichte der Liebe, die über Grenzen geht und die Ohnmacht teilt, ohne sich zu schützen, weil das „Fürchte dich nicht!“ an den Anfang gerückt wird.
In diesem Halt finden sich die Ansätze, um sowohl aus christlicher Sicht Zeugenschaft für den eigenen Glauben zu üben, wie zugleich aus menschenrechtlicher Sicht Zeugenschaft, Anwaltschaft für Flüchtlinge zu üben und einzutreten für die Rechte aller.
Kirche ist die Bewahrerin all dieser wunderbaren Geschichten und Grundlagen. Sie ist als Institution mit vielen unserer Aktionen, Gottesdienste und Gebete auch näher an diese Fragen der Flüchtlinge, der Fremden und ihrer Beheimatung herangerückt. Sie zu wissen als Haus Gottes, in dem Fremde willkommen geheißen werden, braucht noch viel mehr als ein paar symbolische Kirchenasyle, wohlklingende Texte und Synodenentscheidungen. Dennoch war auch dies ein langer Weg, bis Kirche hier sich eindeutig engagierte.
Ausgrenzung, Abgrenzung, Abschottung, Wohlstands­verteidigung haben keinen Platz, wenn es um die Zukunft aller geht. Das steht fest. Es ist an der Zeit, den Sarrazins dieser Welt Einhalt zu gebieten, im Namen der Fremden, die zu uns gehören, weil wir an den glauben, der selbst fremd war.
Und mit Jochen Klepper ist daran zu erinnern, dass Volk und Kirche eben nicht zusammengehören, sondern diese Kirche Christi immer eine internationale, über alle Grenzen hinweg gehende, bewegte Einheit sein muss.

Als Dorothee Sölle-Preisträgerin, die ich seit 2010 bin, zitiere ich ein Gedicht von dieser großen Theologin:
„Das Bild vom Leben spricht
in schöner mythischer Übertreibung
und zugleich durchaus realistisch
von drei Qualitäten
die allen offen stehen:
   grenzenlos glücklich,
   absolut furchtlos,
   immer in Schwierigkeiten.
Es gibt Menschen, die das ‚stille Geschrei’,
das Gott ist,
nicht nur hören,
sondern es hörbar machen
als die Musik der Welt, die den Kosmos und die Seele
auch heute erfüllt.“

Es fasst gut zusammen, was es braucht, um diese Arbeit durchzuhalten und sich immer wieder neu in ihr berufen zu wissen.



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