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Leben in Gemeinschaft
Tod in der Abschiebehaft

Aktion vor dem Tagungshotel der Innenminister in Hamburg

von Hermann Hardt, Flüchtlingsrat Hamburg / Juni 2010

Folgende Rede hielt Hermann Hardt vom Flüchtlingsrat Hamburg am 27.5. bei einer Kundgebung zu „5 Jahre Mahnwache für ein Bleiberecht“ vor der Ausländerbehörde. Gleichzeitig fand in Hamburg die Frühjahrskonferenz der Innenminister von Bund und Ländern statt.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!

Heute und morgen tagen hier in Hamburg die Innenminister. Auf den Innenministerkonferenzen wird u.a. auch immer über die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen geredet, denn für sie gilt nicht das gleiche Recht wie für alle Anderen, sondern rassistische Sondergesetze.

Wir stehen hier vor der Hamburger Ausländerbehörde, in der Bedienstete sitzen, deren Aufgabe es ist, mittels dieser rassistischen Gesetze und Verordnungen Menschen zu schikanieren, zu nötigen und abzuschieben, Menschen die sich hierzulande ein Leben aufbauen wollen, auch wenn sie nicht die deutsche oder eine EU-Staatsbürgerschaft besitzen. Denn auch wenn in Politikerreden heute oft von Integration die Rede ist, sollen sich doch nur die integrieren, die für das Funktionieren dieser Wirtschaftsordnung von Nutzen sind. Flüchtlinge, Menschen die vor Krieg, Not oder Verfolgung geflohen sind, sollen dieses Land schnellstmöglich wieder verlassen. Und wer nicht freiwillig geht, der wird in Abschiebehaft genommen.

Vor sechs Wochen, am 16. April gab es zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit einen Todesfall in Abschiebehaft in Hamburg. Yeni P., eine junge Indonesierin wurde erhängt in ihrer Zelle im Frauenknast Hahnöfersand aufgefunden. Sie war seit dem 23. Februar inhaftiert, zunächst in Untersuchungs-, dann in Abschiebehaft.

Vermutlich war sie ein Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution. Sie wurde sexuell ausgebeutet und betrogen  Daraus hatte sie sich aber wohl lösen können und am Ende selbständig als Sexarbeiterin gearbeitet. Bei einer Polizeirazzia wurde sie festgenommen und sollte nun nach Indonesien abgeschoben werden. In ihren Abschiedsbriefen hatte sie u.a. Angst vor einer begleiteten Abschiebung und umgehender Inhaftierung in Indonesien geäußert.

Yeni hat nichts anderes gemacht als sich das für deutsche PassbesitzerInnen selbstverständliche Recht auf Bewegungsfreiheit und auf ein selbstbestimmtes Leben zu nehmen, in dem sie selbst entschieden hatte, wo und wie sie lebt. Dieses Recht aber wird Flüchtlingen in diesem Land nur in Ausnahmefällen zugestanden. Viele, v.a. die nur "Geduldeten", müssen jederzeit mit Abschiebung in Not, Elend oder sogar Knast, Folter und Tod rechnen.

Um diese Abschiebedrohung durchzusetzen, werden Flüchtlinge eben auch in Abschiebehaft genommen. Jede Inhaftierung ist staatliche Freiheitsberaubung, aber bei der Abschiebehaft kommt noch hinzu, dass es erstens keinen wirklichen Grund für die Haft gibt, denn selbst zu bestimmen, wo mensch leben möchte, ist kein Verbrechen! Und zweitens gibt es für Abschiebehäftlinge keine Perspektive, denn im Gegensatz zu Strafhäftlingen, die wissen, wann sie ihre Haft abgesessen haben und wieder frei kommen, gibt es für Abschiebehäftlinge am Ende nur die Abschiebung!

Das lässt diese Menschen verzweifeln. Nicht nur Yeni P. und David M., der sich vor drei Monaten in Hamburger Abschiebehaft das Leben genommen hat, sondern noch mindestens 23 weitere Menschen haben in den letzten 10 Jahren in Hamburg in der Abschiebehaft versucht, ihrem Leben lieber selbst ein Ende zu setzen, als diese unmenschliche Bedrohungssituation länger auszuhalten!

Nach dem Tod von David  haben wir vom Flüchtlingsrat eine Strafanzeige gegen die verantwortlichen Senatoren Ahlhaus (Innenressort) von der CDU und Steffen (Justiz) von der GAL gestellt und ihren Rücktritt gefordert, denn sie und die ihnen unterstellten Ausländer- und Justizbehörden waren letztlich für Davids Tod verantwortlich. Und dieselben Senatoren sind auch für Yenis Tod verantwortlich. Deshalb erneuern wir unsere Forderung:

Herr Ahlhaus und Herr Steffen, treten Sie zurück! Sie haben den Tod von mindestens zwei Menschen zu verantworten!

Nach dem Tod von David und Yeni und einer kurzen Medienaufmerksamkeit für das Schicksal dieser Menschen sind die Verantwortlichen wieder zur Tagesordnung übergegangen. Über Konsequenzen aus den beiden Suiziden soll in Hamburg nur hinter verschlossenen Türen an einem koalitionsinternen runden Tisch geredet werden.

Wir vom Flüchtlingsrat Hamburg und viele andere Organisationen halten eine öffentliche Diskussion über die tödlichen Folgen der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik für nötig. Wir fragen: Wie viele Menschen müssen noch sterben, um eine Umkehr einzuleiten?

Nicht erst seit dem Tod von David M. und Yeni P. fordern wir vom Hamburger Senat und ebenso von den hier tagenden Innenministern der anderen Bundesländer:

- Eine sofortige, generelle Abschaffung von Abschiebehaft und Freilassung der Inhaftierten!

- Einen generellen Abschiebestopp, zumindest aber in Kriegs- und Krisengebiete, und ein sicheres Bleiberecht für alle Flüchtlinge!

- Schluss mit den Rückschiebungen nach der Dublin II-Verordnung in andere EU-Länder wie Griechenland, wo Flüchtlingsrechte nicht gewahrt werden!

- Inobhutnahme aller hier ankommenden minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge durch das Jugendamt statt Inhaftierung oder Überstellung an die Ausländerbehörde, und keine „Altersfiktivsetzungen“ mehr!

- Schluss mit der rassistischen Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik gegen Flüchtlinge und MigrantInnen!



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