Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Das Leben geht weiter

von Ifka/ Juni 2025

Ifka aus Somalia lebte mit ihrer betagten Mutter von Februar bis Ende Mai im Rahmen eines Kirchenasyls bei uns. Seit 35 Jahren sind sie mit weiteren Familienmitgliedern auf der Flucht, zuerst in Somalia, dann in Syrien, der Türkei, in Schweden und nun in Deutschland. Ifka ist ausgebildete Krankenschwester und will endlich ankommen.

Im Schatten der Freien und Hansestadt Hamburg
Diese weitläufige Geschichte führt mich von den Tiefen des Äquators in Afrika durch eine Reihe von Landschaften und Städten in den skandinavischen Norden und schließlich an die Ufer der Elbe. Es ist sehr traurig, wenn ich über all die Stationen nachdenke, die ich durchlaufen habe – warum Gott mich auserwählt und fit gemacht hat, diese Härten und Herausforderungen zu meistern. Herr, mach mich geduldig.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort „Flüchtling“ hören?
Nach der international anerkannten Definition der Genfer Konvention ist ein Flüchtling eine Person, die aus Gründen der Sicherheit und aus Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Ethnie, Religion, Zugehörigkeit zu einer verfolgten Minderheit oder der Unfähigkeit ihrer Regierung, sie zu schützen, aus ihrem Land geflohen ist. Für mich ist ein Flüchtling jemand, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand und einfach alles verloren hat. Fragen Sie einen Flüchtling nicht, warum Sie hier sind, sondern was Sie zur Flucht veranlasst hat.

Wir haben keine Wahl. Wir werden gezwungen. Niemand will wirklich unbekannt und unerwünscht sein, alles zurücklassen und von vorne anfangen. Das Asylverfahren selbst ist psychologisch und emotional anstrengend, und die Strapazen, die wir überwunden haben, um hierher zu gelangen, werden uns für den Rest des Lebens im Traum verfolgen: Die Seekrankheit, die wir auf dem Schlauchboot spürten, die Geräusche der Schüsse und Bomben, denen wir entkommen sind, die Menschen, die um uns herum umkamen – sei es durch Krankheit, Hunger oder Durst –, die Ausbeutung durch Menschenhändlerbanden, die psychische Misshandlung und die Schläge durch die Grenzpolizei. All diese Erinnerungen werden uns für immer begleiten und uns einen Teil der Würde als Mensch rauben.

Ein Flüchtling ist ein Mensch, der vor einer korrupten Regierung zu einer Regierung flieht, die ihn nicht will und ihn als Last ansieht. Ein kleiner Prozentsatz hat Glück und schreibt das Leben neu: Ihr Asyl ist erfolgreich, die Umstände und Zeiten sind günstig, der Wind weht ihnen um die Nase, und die Zukunft ist rosig.

Die Mehrheit findet sich am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit wieder: Die Grenzen werden geschlossen, die Gesetze geändert, die Gesichter runzeln sich, und die Türen schließen sich. Wenn Beamte ein neues Gesetz gegen Asyl und Flüchtlinge unterschreiben – ist ihnen dann bewusst, welche Auswirkungen ihre Unterschrift hat? Wie viele Familien getrennt werden? Wie viele Seelen gebrochen werden? Wie viele Leben verloren gehen?

Tod oder Mord 
ist nicht notwendigerweise ein Verlust an physischem Leben, sondern der große Verlust und das Unglück, das Menschen widerfährt, wenn ein Mensch einen anderen Menschen tötet. Wenn ein Mensch einen anderen Menschen tötet, hat er ihn möglicherweise seines Rechts beraubt und ihm einen großen Verlust zugefügt. All dies ist, moralisch gesehen, dasselbe.

Wissen Sie, wie viele von uns Flüchtlingen am Leben sind und wie viele von uns tot sind? Es gibt diejenigen unter uns, die das Glück haben, die ersten Hindernisse zu überwinden: den Krieg, das Meer, die Grenzen, die anstrengenden und psychologisch schmerzhaften Asylverfahren, alle Etappen zu überwinden, die Papiere zu bekommen. Aber das Schicksal hilft ihnen nicht. Ihr Geist, der diese Etappe erfolgreich erreicht hat, ist sehr schwach geworden – wie bei A.: Als diese Frau ihre Papiere erhielt und in ihre neue Wohnung einzog, freute sie sich darauf, endlich ein eigenes Zuhause zu haben, in dem sie selbst kochen konnte. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr: Nur wenige Tage nach dem Einzug erkrankte sie schwer und musste zwei Wochen lang medizinisch versorgt werden, bevor sie verstarb. Ich bin immer noch erschüttert darüber, wie zerbrechlich das Leben ist und wie wir – mit unseren bescheidenen Träumen, die andere als selbstverständlich betrachten – ums Überleben kämpfen. Es zeigt, wie hilflos wir letztlich sind.

Für manche Menschen ist das höchste Ziel, das vierte Lebensjahrzehnt (die Dreißiger) ohne Blutdruck- oder Diabetesmedikamente zu erreichen. Selbst wenn wir es schaffen, anzukommen und die nötigen Dokumente zu erhalten, bricht der Körper oft unter der Last der erlittenen Strapazen zusammen. Die Schwachen haben kein Recht, auch nur einfache Träume zu träumen. Der Killer Nummer eins auf der Welt ist nicht Zucker, Rauchen oder Alkohol. Der Killer Nummer eins ist Stress, der den Körper von innen auffrisst. Das ganze Asylverfahren ist eine große psychologische Spannung und Momente voller Erwartung, Angst und Unruhe. Jeden Tag wachst du auf und fragst dich: „Was jetzt?“ Ist eine neue Entscheidung ergangen? Jedes Amt, das du aufsuchst, ist ein echter Horror für dich: Werde ich gut behandelt? Werde ich glücklich oder traurig von hier weggehen? Du befindest dich in einem Zustand des Wartens, und dein Schicksal liegt in den Händen von anderen.

Ich stecke immer noch fest zwischen gestern und heute, zwischen Traurigkeit und Freude, zwischen meinem alten Zuhause und der Gegenwart, zwischen dem, was ich war und dem, was ich sein wollte, und dem, was ich jetzt bin. Bin ich tot oder lebendig?

Was ist Heimat? 
W
ir sind der Kriege und Revolutionen überdrüssig, wir sind der Trennung von Heimatländern überdrüssig, wir sind der Legenden der Geschichte überdrüssig, wir sind der Neuanfänge überdrüssig, wir sind der schwebenden Hoffnungen überdrüssig. Wir haben unsere Träume aufgegeben, die „vergeblich“ geworden sind, und unsere Stimmen schreien nach einer Antwort.

Ich kann keine rosige Stadt mehr zeichnen wie in der Geschichte, und ich kann die Grenzen meiner Heimat nicht mehr erkennen wie in der Geographie. Ist das die Heimat, in der ich geboren wurde und die ich in einer tauben Nacht verlassen habe, weil ich Angst hatte, dort zu bleiben? Nein. Heimat ist der Ort, an dem man seine Würde als Mensch bewahrt, an dem man sich sicher und zugehörig fühlt.

Die herzlichen Grüße aller Heimatländer, 
die die Sprache der Liebe sprechen, nicht des Hasses, 
die Sprache der Freude, nicht der Traurigkeit, 
die Sprache des Lebens, nicht des Todes, 
die Sprache der Hoffnung, nicht der Verzweiflung.

Der Himmel erzählt mir jeden Tag von den Einzelheiten der Flüchtlinge, ihrer Traurigkeit, ihrer Sehnsucht, ihrem Stöhnen, ihren Schreien. Jeden Tag überwindet der Himmel alles und zieht alle Flüchtlinge an, damit sie ihn anschauen und den Herrn anflehen, ihnen die Hand zu reichen und sie dorthin zu bringen, wo es Zuflucht gibt, wo es Sicherheit gibt, wo es die Heimat gibt, die sie geboren hat – wo es das Himmelreich gibt, wo es keine Behörden gibt, die uns ärgern und abstoßen, wo wir mit Freundlichkeit behandelt werden. Unser Gott im Himmel, nimm uns zu dir und erbarme dich unser – wo die Erde eng geworden ist und unsere Mitmenschen die Erde eng gemacht haben.

Ich glaube immer noch, dass der Himmel mich hört und meine Stimme und meine Gedanken an die Menschen um mich herum weitergibt – und ich bin sicher, dass er ihre Stimme an Gott weitergeben wird.

Ein Flüchtling könnte nur sagen, was Ghassan Kanafani in seinem Roman „Rückkehr nach Haifa“ sagt: „Du weißt, was Heimat ist, Safiya: Heimat ist es, nicht alles geschehen zu lassen.“

Deshalb sage ich Ihnen: „Genug ist genug! Macht unseren Schmerz nicht noch größer. Lasst uns den Rest unseres Lebens in Frieden leben. Niemand ist gekommen, um euch euer Brot zu stehlen.“

Gefangen 
W
as die Länder betrifft, die die Werte der Menschlichkeit aufgegeben haben – wie zum Beispiel Schweden, denn gerade ich bin seit mehr als neun Jahren ein Opfer der strengen Asylpolitik in Schweden –, und ich dachte, ich sei die Einzige, bis ich andere Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern sah, von denen einige zehn und elf Jahre dort verbrachten …

Dort glaubte ich eher an die Theorie des angebundenen Elefanten: 
Ein Elefant mit einer Höhe von mehr als drei Metern und einem Gewicht von etwa fünf Tonnen könnte die Kette mit Leichtigkeit durchtrennen und den Holzpflock mit minimaler Anstrengung entreißen – aber er tut es nicht und wird es auch nie versuchen. Stellen Sie sich vor: Das mächtigste Landtier der Welt, das mühelos einen großen Baum entwurzeln kann, wird von einem kleinen Holzpflock und einer fadenscheinigen Kette besiegt. 
Und warum? Weil seine Trainer, als er noch ein Baby war, die gleichen Methoden anwandten, um ihn zu zähmen. Damals waren die Kette und der Pfahl stark genug, um den kleinen Elefanten zu fesseln. Wenn er versuchte, sich zu befreien, zog ihn die Metallkette zurück. Später erkannte das Elefantenbaby, dass ein Ausbruchsversuch unmöglich war – und gab den Versuch auf. Nun, da der Elefant ausgewachsen war, sah er die Kette und den Pflock und erinnerte sich an das, was er als Kind gelernt hatte – dass es unmöglich war, aus der Kette und dem Pflock zu entkommen. Was natürlich nicht mehr stimmt, aber das macht nichts. Die „selbstbestimmten“ Gedanken und Überzeugungen des Elefanten dominieren den Elefanten für den Rest seines Lebens.

Wenn Sie darüber nachdenken: Jeder von uns hat eine unglaubliche Kraft in sich – und wir haben auch unsere eigenen Ketten und Pflöcke: Gedanken und Überzeugungen, die uns einschränken und zurückhalten. Das ist die Antwort auf die Frage, warum ich nicht wie andere schon eher aus Schweden geflohen bin und warum ich neun Jahre gebraucht habe, um mich zu befreien: Weil ich in die Elefantenfalle getappt war.

Wie hätte ich denn fliehen können, wenn mir die strengen Dublin-Regeln im Nacken sitzen und mich ganz langsam ersticken? Ich bin sicher, dass die Behörden hunderte von herzzerreißenden Geschichten aus Schweden gehört haben – aber wem werden sie wohl glauben? Dem charmanten, eleganten Schweden mit seinen hohen humanitären Werten – oder mir, der Null, dem schwachen, verachteten Nichts?

Sie bleiben hier eingesperrt, bis Sie unterschreiben, freiwillig zurückzukehren“ … Ja, das sagte mir der Einwanderungsbeamte. Schweden wird eines Tages diese Haftanstalten bereuen, die es errichtete, um Menschen einzusperren. Eines Tages wird Schweden sich für diese grausamen, unmenschlichen Praktiken entschuldigen – dafür, dass ein Flüchtling verhaftet und über sein Leben verhandelt wird. So brutal sie auch sind, sie wollen ihr Image bewahren: das Land der Freiheit, der Menschlichkeit, das Land der Nobelpreise.

Hamburg, du freie Hansestadt! Warum hast du mich vor zehn Jahren nicht aufgehalten, als ich durch dich hindurch zog? Warum hast du mich nicht gewarnt, dass Schweden ein Gefängnis werden würde, in das ich freiwillig ging? Warum hat kein Polizist mich verhaftet?

Was bleibt von unserer Menschlichkeit übrig, wenn jedes Land den Flüchtlingen den Rücken kehrt und wir die Werte der Gerechtigkeit und Würde aufgeben? Wie wird diese Welt aussehen, wenn Hassreden die Oberhand gewinnen?

Mit diesem Text möchte ich ein Bewusstsein für die Situation von Geflüchteten schaffen. Wir müssen uns an die mitleidigen oder verächtlichen Blicke gewöhnen, die uns wie Pfeile durchbohren. Wir haben offensichtlich keine wirkliche Orientierung, und wenn wir lange genug herumgeirrt sind, werden wir eine Moschee oder eine Kirche finden, denn die Tempel sind die einzigen Orte, an denen wir ohne Vorbehalte oder Bedingungen Barmherzigkeit erfahren können. Wenn wir Kriege und Krisen nicht verhindern können, sollten wir wenigstens gemeinsam versuchen, ihr Leid zu lindern. Lasst uns Hand in Hand stehen und Menschlichkeit zeigen. ■



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